Die Sprache ist seltsam faszinierend. Sie bildet das Rückgrat unserer Kommunikation und basiert ausschließlich auf Lauten, die unser Gehirn mit bestimmten Dingen oder Emotionen verbindet. Aber woher stammt die Sprache und wie entwickelte sie sich zu dem komplexen System, das wir heute kennen? Nun, das ist eine Frage, die Forscher, Historiker und Wissenschaftler seit langem zu beantworten versuchen. In der Tat wird über die menschliche Ursprache seit Jahrhunderten diskutiert und es gibt noch immer keinen Konsens über den Ursprung oder das Alter der Sprache. Das könnte sich aber bald ändern.
Eine neue Studie, die von unter der Leitung von Shigeru Miyagawa, einem Linguisten am Massachusetts Institute of Technology, durchgeführt wurde, schlägt vor, sich die Schrift an den Wänden genauer anzusehen. Und das ist wörtlich zu nehmen. Die Studie (veröffentlicht in Frontiers In Psychology) legt nahe, dass Höhlenkunst uns helfen könnte, die Antwort auf die uralte Frage nach dem Ursprung der Sprache zu finden. In seiner Forschung fand Miyagawa heraus, dass Höhlenzeichnungen in der Regel an akustischen Hotspots in der Höhle angefertigt wurden, wo der Schall stärker widerhallt und nachklingt als an anderen Orten der Höhle. Diese Hotspots befinden sich typischerweise tiefer im Innern der Höhlen, wo sie schwerer zu erreichen sind. Diese Befunde deuten darauf hin, dass Akustik und Klang für die Höhlenkunst besonders wichtig waren und dass die Frühmenschen bewusst bestimmte Bereiche der Höhlen auswählten, um ihre Zeichnungen zu platzieren, anstatt sie einfach willkürlich an die erste Höhlenwand zu klatschen, die ihnen in die Quere kam.
Miyagawa und seine Mitautoren schlagen vor, dass die Zeichnungen, die sich an diesen „Hotspots“ befinden, wahrscheinlich die Geräusche repräsentieren, die Menschen an diesen Bereichen hören oder selbst erzeugen. Dieser Prozess, den Miyagawa und seine Mitautoren einen „modalitätsübergreifenden Informationsaustausch“ nennen, beinhaltete die Verbindung und Verarbeitung gehörter Information, um neue visuelle Informationen zu erzeugen. Das ist besonders interessant, so die Autoren, weil es zeigt, dass Kunst den frühen Menschen die Möglichkeit gab, komplexere symbolische Denkmuster zu entwickeln. Die Menschen erlebten die Welt nicht mehr nur durch ihre Sinne, sondern begannen nun, sie über diese Kunstform neu zu interpretieren. Darüber hinaus ist es wirklich sehr interessant, das Zusammentreffen von akustischen Informationen und symbolischen Bildern in den Fokus zu rücken. Schließlich handelt es sich dabei um die wesentlichen Bausteine der modernen Sprache: Sie produzieren Geräusche und das Gehirn eines anderen Menschen verbindet diese Geräusche automatisch mit einem symbolischen Bild dessen, was auch immer Sie gesagt haben.
„Höhlenkunst war Teil der Regelung, die Homo sapiens half, diese sehr hohe kognitive Verarbeitung zu erreichen“, sagte Miyagawa. „Wir haben diesen sehr konkreten kognitiven Prozess, der ein akustisches Signal in eine mentale Repräsentation umwandelt und es als visuelles Objekt externalisiert.“ Basierend auf diesen Informationen ist sich Miyagawa sicher, dass Höhlenkunst für die Frühmenschen als eine Art der Kommunikation diente. „Ich denke, es ist sehr klar, dass diese Künstler miteinander gesprochen haben“, sagte er. „Es handelt sich um eine gemeinsame Anstrengung.“ Dies ist ein großer Fortschritt in der Erforschung der Ursprünge der Sprache.
Man nimmt an, dass die menschliche Spezies etwa 200.000 Jahre alt ist und schätzungsweise etwa die Hälfte dieser Zeit Sprache genutzt hat. Abgesehen davon gibt es nur sehr wenige konkrete oder allgemein akzeptierte Vorstellungen darüber, woher die Sprache kam und was die Menschen anspornte, sie zu nutzen und weiterzuentwickeln. Aber warum gibt es so wenig Konsens über die Ursprünge der Sprache? Vor allem wohl deshalb, weil es in diesem Bereich kaum Anhaltspunkte gibt, die die Entwicklung solider Meinungen oder Theorien ermöglichen. „Es gibt diese Vorstellung, dass wir keine sprachlichen Fossilien haben – und das trifft ja auch zu, aber vielleicht können wir in diesen Artefakten (Höhlenzeichnungen) einige der Anfänge des Homo sapiens als symbolisches Wesen sehen“, sagte Miyagawa.
Man kann Höhlenkunst auf der ganzen Welt finden. Als bemerkenswerte Beispiele wären etwa Lascaux (Frankreich), Altamira (Spanien), Blombos-Höhle (Afrika) und Sulawesi (Indonesien) zu nennen. Glaubt man Miyagawa, dann könnten diese Orte der Schlüssel zum Verständnis der Ursprünge unserer Sprache sein. „Akustisch basierte Höhlenkunst muss bei der Bildung unseres kognitiven symbolischen Geistes eine Rolle gespielt haben“, sagte er.