Jede Sprache hat ihre eigenen spezifischen Redewendungen – Sätze, die oft nicht wortwörtlich in eine andere Sprache übersetzt werden können. Sie stellen eine der vielen Möglichkeiten dar, die Kommunikation untereinander zu personalisieren. Ein Idiom, technisch als „formelhafte Sprache“ kategorisiert, ist ein spezieller Ausdruck oder eine Redewendung, die eine übertragene Bedeutung besitzt, die sich von der wörtlichen Bedeutung unterscheidet. Alle Sprachen kennen Idiome und es gibt allein im Englischen geschätzte 25.000 davon. Normalerweise können sie nicht direkt übersetzt werden, aber die meisten Sprachen haben ihre eigenen Idiome entwickelt, um einen ähnlichen Gedanken auszudrücken. Wenn es zum Beispiel in Deutschland in Strömen gießt, könnte man sagen, es regnet „Bindfäden“, während ein spanischer Sprecher wahrscheinlich „está lloviendo a cántaros“ sagen würde.
WAS SIND IDIOME?
Wie bereits erwähnt, ist ein Idiom ein in semantischer Hinsicht ungewöhnlicher Satz. Es handelt sich um eine „Wortfügung“, die in ihrer Gesamtbedeutung von der wörtlichen Bedeutung der einzelnen Teile des Satzes abweicht. Wenn eine Aussage eine wörtliche Bedeutung aufweist, wird jedes Wort im einfachsten, bzw. grundlegenden Sinn interpretiert. Dies ist bei den meisten idiomatischen Wendungen nicht der Fall. Diese haben für gewöhnlich stattdessen eine übertragene Bedeutung, obwohl es sich manchmal auch um eine wörtliche Bedeutung mit ungewöhnlicher Wortstellung handeln kann, wie zum Beispiel bei „Mitgefangen, mitgehangen“.
“Idiome und metaphorische Sätze sind ein integraler Bestandteil der Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren.”
EINIGE DER HÄUFIGSTEN IDIOME
Es gibt keine einzige Sprache auf der Erde, die ohne Idiome oder Redewendungen auskommt. Im Folgenden finden Sie einige Beispiele für gängige deutsche Redewendungen, denen Beispiele aus anderen Sprachen aus der ganzen Welt entgegengestellt werden.
Englisch
- A blessing in disguise: Wird gebraucht, wenn sich etwas letztendlich doch – anders als zunächst erwartet – als “Segen” herausstellt.
- Break a leg: Entspricht dem deutschen “Hals- und Beinbruch” und bedeutet, dass man einem Schauspieler oder Performer “Viel Glück!” wünscht.
- Under the weather: Wird gebraucht, wenn sich jemand zum Beispiel wegen einer normalen Erkältung leicht krank fühlt, also “nicht ganz auf dem Damm ist”.
- To buy a pig in the poke: In verschiedenen europäischen Sprachen bekannt als “die Katze im Sack kaufen”, bezieht sich dieses Sprichwort auf eine unklare oder sogar zwielichtige Entscheidungssituation, in der die genauen Umstände und Auswirkungen (noch) im Dunkeln liegen.
Holländisch
- Over koetjes en kalfjes praten: Wörtlich “über Kühe und Kälber reden”; im übertragenen Sinne bedeutet diese Wendung ganz einfach “Small Talk”.
- Nu komt de aap uit de mouw: Entspricht in etwa dem deutschen Idiom “sein wahres Gesicht zeigen”, das sich darauf bezieht, dass der wahre Charakter eines Menschen zum Vorschein kommt.
- Weten waar Abraham de mosterd halt: Ist dem deutschen Sprecher in verschiedenen Versionen bekannt (etwa als “Wissen, wo Bartel den Most holt”) und verweist darauf, dass sich jemand in einem bestimmten Bereich sehr genau auskennt und sich “kein X für ein U vormachen” lässt.
Deutsch
- Um den heißen Brei herumreden: Diese Wendung ist gleichbedeutend mit dem amerikanischen “to beat around the bush” und wird benutzt, wenn jemand zögert, sein Anliegen direkt auszusprechen.
- Da kannst du Gift drauf nehmen: Daraus wird im Englischen “You can bet your life on that”, was mit einer ganz ähnlichen Formulierung ausdrückt, dass der Sprecher etwas für “todsicher” hält.
- Eine Extrawurst gebraten bekommen: Diese Wendung wird gebraucht, falls ein deutscher Sprecher den starken Eindruck hat, dass jemand nie zufrieden ist und immer wieder Sonderwünsche äußert.
Französich
- Ne rien savoir faire de ses dix doigts: Bedeutet wörtlich übersetzt “nicht wissen, was man mit seinen zehn Fingern anfangen soll”. Mit anderen Worten geht es um einen unfähigen Menschen, der nichts richtig kann.
- Arriver comme un cheveu sur la soupe: Diese Redewendung beschreibt den unangenehmen Moment, wenn etwas zum unpassenden Zeitpunkt geschieht oder jemand im falschen Moment erscheint – ebenso unerwünscht wie ein „Haar in der Suppe“, wie die wörtliche Übersetzung lautet.
- Appeler un chat un chat: Der Franzose nennen eine Katze eine Katze, während wir in solch einer Situation “Ross und Reiter benennen” oder “das Kind beim Namen nennen”.
Italienisch
- Hai voluto la bicicletta? E adesso pedala: Diese Wendung entspricht unserem „Du musst auslöffeln, was Du Dir eingebrockt hast“ und drückt den Hinweis aus, dass jemand Verantwortung für seine Handlungen übernehmen muss, nur etwas anders: “Du wolltest das Fahrrad, also tritt jetzt auch in die Pedale!”
- Tirare il pacco: Wörtlich “Das Paket werfen”, was bedeutet, dass Sie jemanden “versetzt” haben, weil Sie zu einem vereinbarten Treffen nicht erschienen sind.
- Fare le corna a qualcuno: Diese sehr gebräuchliche italienische Wendung, entspricht 1:1 der deutschen Umschreibung für den Betrug durch den Lebensgefährten – “jemandem Hörner aufsetzen.”
Spanisch
- Tomar el pelo: Das englische Äquivalent für diese Phrase ist „jemandes Bein zu ziehen“ oder jemandem einen Streich zu spielen, indem man ihm etwas Unwahres sagt.
- Ser pan comido: Diese Wendung wird verwendet, wenn etwas sehr einfach – oder “ein Kinderspiel” – ist. Die wörtliche Übersetzung lautet “ein Stück Kuchen sein”.
- Estar como una cabra: Diese Wendung wird benutzt, wenn jemand etwas Merkwürdiges oder aus dem Rahmen fallendes tut. Die Übersetzung lautet “Wie eine Ziege sein”.
Rumänisch
- A-i lipsi o doagă: Die wortwörtliche Übertragung ins Deutsche ergibt „eine Dachpfanne fehlt“. Entspricht ziemlich genau unserem „nicht alle Tassen im Schrank haben“.
- Ca măgarul în ceaţă: Wörtlich übersetzt heißt dieses Idiom „wie ein Esel im Nebel“ und bezieht sich auf jemanden, der immer genau dann verschwindet, wenn man ihn braucht.
- A tăia frunză la câini: Die Wendung “Blätter für den Hund schneiden” umschreibt sehr gut, dass man seine Zeit vertut oder einfach nur faul ist.
DER URSPRUNG IDIOMATISCHER REDEWENDUNGEN
Viele der heutigen Idiome hatten ursprünglich eine relevante wörtliche Bedeutung, die in der Gegenwart nicht mehr anwendbar ist. Nehmen Sie die englische Redewendung „spill the beans„, was auf Deutsch „alles ausplaudern“ bedeutet. Man vermutet, dass dieses Idiom von einer alten Methode des Wählens abgeleitet ist, wobei jeder Wähler eine Bohne in einen Becher legte, anstatt einen Stimmzettel in eine Wahlurne zu werfen. Falls ein solcher Becher versehentlich umgestoßen wurde, bevor die letzten Stimmen gezählt waren, konnte jeder vorab sehen, wer der Gewinner ist. Einige Experten lehnen diese Theorie jedoch ab.
Der früheste aufgezeichnete moderne Gebrauch dieser Wendung bezog sich auf ein Pferderennen aus dem Jahr 1902, in dem sich „spill the beans“ auf das siegreiche Pferd bezog, dessen Sieg niemand vorhergesehen hatte (also der „Underdog“, ein weiteres Idiom). Fünf Jahre später wurde der Satz von Baseballspielern übernommen. Die Bohnen zu verschütten bezog sich auf jemanden, der während des Spiels versagt hatte und es dem anderen Team ermöglichte, aufzuholen und zu gewinnen. Die ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffs hatte bis 1919 nichts damit zu tun, ein Geheimnis auszuplaudern.
Andere Redewendungen wie „Hals- und Beinbruch“ sind ganz bewusst symbolisch gemeint. Nach gängigen Vorstellungen ist ein Beinbruch als Pech zu betrachten. In der Welt der darstellenden Künste glaubt man dagegen, dass das jemandem Pech zu wünschen das Gegenteil bewirkt.
WARUM VERWENDEN WIR IDIOME?
Idiome und metaphorische Sätze sind ein integraler Bestandteil der Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren. In gewisser Weise handelt es sich, wie bei der Verwendung von Sarkasmen, um grammatikalische Belanglosigkeiten, aber es steckt viel mehr dahinter. Nach Auffassung einiger Experten spiegelt unsere Sprache wider, wie komplex unser Verstand wirklich ist, was darauf hinweist, dass wir nicht nur auf einer logischen und wörtlichen Basis funktionieren.
Die Art, wie wir sprechen ist in gewisser Weise künstlerisch und kann dazu beitragen, Menschen derselben Kultur zu verbinden, weil es bestimmte Sätze gibt, die nur sie verstehen. Idiome können aber auch dazu beitragen, Menschen verschiedener Kulturen zu verbinden – und zwar, wenn sie erkennen, dass sie ihre eigene Wendung für den gleichen Begriff haben. Auf diese Weise wird aus Sprache mehr als nur ein Mittel zum Informationsaustausch: Sie verbindet uns auf menschliche und persönliche Weise.